28.02.2022

Medienmitteilung: Sozialdepartment zementiert prekäre Arbeitsbedingungen in Kitas

Das seit 2018 in der Stadt Zürich gültige Finanzierungsmodell für Kitas wird vom Sozialdepartement (SD) trotz offensichtlicher Konstruktionsfehler hochgelobt. Die unangenehmen Ergebnisse einer KPMG-Analyse blendet das SD aus. Stattdessen werden Schlussfolgerungen gemacht, die einer kritischen Überprüfung nicht standhalten. Ein Ergebnis ist jedoch unstrittig: Die Hälfte der Kitas in der Stadt macht Verluste, ein weiterer Viertel ist nicht nachhaltig finanziert. Prekäre Arbeitsbedingungen und eine verbesserungswürdige Qualität sind die Folgen. Diesen Mittwoch erwartet die Branche vom Gemeinderat nur eine unmissverständliche Botschaft: «Reparieren – aber subito!».

Die vom SD in Auftrag gegebene Analyse der KPMG zeigt besorgniserregende Zustände. Knapp die Hälfte der Kitas in der Stadt Zürich macht im untersuchten Referenzjahr 2019 (noch vor der Covid-19-Krise!) Verluste, weitere 26% sind nicht nachhaltig finanziert. Kitas können in der Folge nur unter-durchschnittliche Arbeitsbedingungen bieten und fallen gegen Mitbewerber, wie etwa die Stadt Zürich, ab. Diese können für ihre eigenen Kitas und Horte Fachpersonen zu besseren Arbeitsbedingungen rekrutieren. Diese Woche legt das SD den vom Gemeinderat geforderten Ergebnisbericht zu den Auswirkungen des neuen Finanzierungsmodells mit mehr als zwei Jahren Verspätung vor. Erstellt wurde er auf der Basis einer Analyse der KPMG, zuerst als Ursprungsanalyse, und – wegen diverser handwerklicher Fehler, die korrigiert werden mussten – zusätzlich in Form eines Addendums.

Normkostenmodell gefährdet Wirtschaftsstandort Zürich

Die handwerklichen Fehler der Analyse wurden nur zum Teil beseitigt. In den relevanten Teilen, welche das Normkostenmodell untersuchen, jedoch nicht. Das führt dazu, dass Stadtrat Golta am Mittwoch die Analyse dazu nutzen wird, das Modell im Gemeinderat weiterhin unreflektiert zu verteidigen – mit fatalen Folgen: Wenn die Hälfte der Kitas schon vor der Covid-19-Krise defizitär wirtschaften musste und ein weiterer Viertel nur knapp die schwarze Null schaffte, dann ist die familienergänzende Bildungs- und Betreuungsinfrastruktur bedroht. Gleichzeitig ist der Fachkräftemangel mittlerweile notorisch. Die Stadt Zürich kann es sich nicht leisten, im Namen eines ideologischen Finanzierungssystems die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gefährden. Das Normkostenmodell inkl. dem Normkostensatz von maximal CHF 120 (neu CHF 121) pro Tag reicht offensichtlich nicht, um die Kosten der Kitas zu decken. In der Folge schreiben diese Verluste und/oder müssen ihre Plätze stossenderweise durch vollzahlende Eltern quersubventionieren.

Normkostenmodell missachtet Recht auf bestmögliche Entwicklung der Kinder

Es ist unterstützenswert, dass die Stadt Zürich das klar definierte Ziel hat, ab 2024 mehr in die gute pädagogische Qualität von Kitas in der Stadt Zürich zu investieren. Damit diese geplanten zusätzlichen Investitionen zielführend werden, braucht es jetzt eine echte Auseinandersetzung mit der langjährigen und berechtigen Kritik aus der Branche an dem bestehenden Finanzierungsmodell (siehe hierzu unter «Hauptkritik am Normkostenmodell»). Die bestmögliche Entwicklung der Kinder sollte dem SD deutlich mehr grundlegende Selbstkritik wert sein.

Normkostenmodell zementiert prekäre Arbeitsbedingungen in Kitas

Die Sozialpartner werden von Stadtrat Golta aufgefordert, GAV-Verhandlungen aufzunehmen, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Nur mit welchem Geld sollen die Betreuungsschlüssel verbessert, mittelbare pädagogische Arbeitszeit oder angemessene Lohnentwicklung für Mitarbeitende vorgesehen werden, wenn das Normkostenmodell eine Deckelung der Tarife vorsieht und damit Entwicklungen verunmöglicht? Es ist eine direkte Auswirkung des gedeckelten Tarifs, dass die Branche auf «günstige Arbeitskräfte» auf der Funktionsstufe «Praktikum» angewiesen ist.

Mittlerweile sind die Auswirkungen des durch das Normkostenmodell generierten Druckes auf die Arbeitsbedingungen auch bei den Unterstützenden des Modells angekommen. So wurde immerhin die Problematik der schon lange kritisierten ungleichen Voraussetzungen für private und öffentlich-rechtliche Anbietende anerkannt. Kibesuisse begrüsst sodann das kürzlich eingereichte Postulat «Angleichung der Löhne und der Arbeitsbedingungen für das Personal der subventionierten Kinderbetreuungseinrichtungen an das Niveau der stadteigenen Kindertagesstätten». Die AL-Fraktion forderte bereits anfangs Jahr mit einer parl. IV eine sofortige Erhöhung des Normostensatzes auf CHF 130, damit die Angebote unter den jetzigen Vorgaben kostendeckender sind. Die Umsetzung des unterdessen eingereichten Begleitpostulats würde eine weitere Erhöhung des Normkostensatzes um mindestens CHF 30 pro Tag nötig machen. Dies dürfte in der SP hoffentlich unbestritten sein.

Zur vollständigen Medienmitteilung inkl. Links und Hauptkritikpunkten

Zum Video: Die revidierte Verordnung Kinderbetreuung - Ein Kassensturz nach 4 Jahren