24.11.2023

Medienmitteilung: Teilrevision FKJV: Betreuungsform Tagesfamilie steht auf der Kippe

Am 20. November 2023 hat der Regierungsrat des Kantons Bern die Teilrevision der kantonalen Verordnung über die Leistungsangebote der Familien-, Kinder- und Jugendförderung (FKJV) im Kanton Bern beschlossen. Unglücklicherweise sind darin Regelungen enthalten, welche die familienergänzende Bildung und Betreuung in Tagesfamilien enorm erschweren, ja sogar ganz verunmöglichen.

Hauptveränderungen 2024 

Anlass für die Teilrevision der Verordnung über die Leistungsangebote der Familien-, Kinder- und Jugendförderung (FKJV) ist, dass die Betreuung von Kindern in Tagesfamilien neu geregelt wurde. Dies gilt vor allem in Bezug auf die eingeführte Bewilligungspflicht für Tagesfamilienorganisationen (TFO) und deren Aufgaben. So werden in der FKJV die Bewilligungsvoraussetzungen für TFO und das dazugehörige Verfahren ebenso wie das Meldeverfahren für freischaffende Tagesfamilien zusammen mit den Aufsichtsgrundsätzen ergänzt. Aus Sicht von kibesuisse ist in Ansätzen erfreulich, dass einzelne Rückmeldungen des Verbandes berücksichtigt wurden, die auf Unstimmigkeiten und Widersprüche hingewiesen haben. Mit Blick auf die umfassenden Anpassungen stellt kibesuisse jedoch fest, dass bei einigen Punkten deutlich über das Ziel hinausgeschossen wurde. 

Knackpunkt 1: Betreuungsschlüssel in Tagesfamilien

Eigene Kinder und «sporadisch nicht entgeltlich betreute Kinder» unter zwölf Jahren werden neu dem Betreuungsschlüssel zugerechnet. Klingelt ein achtjähriges Kind an der Tür, um mit dem « Gspändli » zu spielen, muss die Tagesfamilie es abweisen, wenn bereits alle fünf zur Verfügung stehenden Betreuungsplätze besetzt sind. Diese Zahl ist unter Umständen schnell erreicht. Zum einen werden Kinder unter zwölf Monaten mit dem Faktor 1,5 gerechnet, ebenso wie altersunabhängig Kinder mit Beeinträchtigungen oder pauschal alle Pflegekinder – ungeachtet ihrer tatsächlichen Situation. Zum anderen werden Schulkinder ab zwölf Jahren mit dem Faktor 0,5 gerechnet – halbe Plätze zu besetzen, stellt per se eine Schwierigkeit dar. Zudem wird professionelle Betreuung durch näher verwandte Personen grundsätzlich ausgeschlossen. 

Diese strikte Regelung des Betreuungsschlüssels wirft Fragen auf: Ist das Feiern eines Kindergeburtstages in Anwesenheit von Nachbarskindern bei der Betreuung von Tageskindern noch zulässig, wenn dadurch sechs Kinder unter zwölf Jahren im Haushalt der Tagesfamilie anwesend sind? Darf ein Tagesvater mit zwei eigenen und drei Tageskindern noch den Quartiersspielplatz aufsuchen, wenn dort andere Kinder spielen? Wieso darf die Tante für die Mitbetreuung des Neffen in einer Tagesfamilie keinen Betreuungsgutschein in Anspruch nehmen? Wäre sie dagegen in einer Kita angestellt, würde sich niemand für diese Konstellation interessieren. Zudem ist unklar, warum die Regelungen für Tagesfamilien so eng ausgelegt werden, wenn gleichzeitig in Tagesschulen zehn 4- bis 16-jährige Kinder und Jugendliche in einer Gruppe von einer Person ohne pädagogische Qualifikation betreut werden dürfen.

Knackpunkt 2: Bewilligungsvoraussetzungen / Aufsicht durch Tagesfamilienorganisationen

Neu haben TFO die Verantwortung für die Aufsicht über die angestellten Tagesfamilien. Da diese Aufgabe über die Sorgfaltspflichten als Arbeitgeber hinausgeht, werden die TFO dafür pauschal entschädigt. Der dafür vorgesehene Betrag von 200 Franken pro Tagesfamilie deckt dabei jedoch bei weitem nicht die anfallenden Kosten des Aufwandes ab. Gleichzeitig werden die Anforderungen an die Fachpersonen mit Aufsichtsaufgaben erhöht. Neu ist eine pädagogische Qualifikation analog dem Kita-Fachpersonal notwendig (Kindheitspädagogik HF oder Fachperson Betreuung EFZ), was mit Blick auf die Qualität grundsätzlich zu begrüssen ist. Dagegen spricht jedoch die Tatsache, dass gemäss dem Anspruch des Regierungsrats auf eine kostenneutrale Umsetzung eine angemessene Entschädigung verwehrt wird. Daher fordert kibesuisse die Politik dazu auf, für sinnvolle Qualitätsmassnahmen finanziell aufzukommen und die TFO angemessen zu entschädigen. 

Fazit

Die aufgegriffenen Fragen sorgen bei den Tagesfamilienorganisationen für Unruhe und Ängste, ob künftig noch Betreuungspersonen gefunden werden können, die bereit sind, unter den gegebenen Bedingungen in Tagesfamilien zu arbeiten. Konkret würden die Betreuungspersonen das Risiko eingehen, im Alltag immer wieder gegen ein Gesetz zu verstossen. kibesuisse befürchtet dadurch eine Abwanderung in andere Branchen, wo die Vorgaben weniger streng sind. Dies hätte einen Qualitätsabbau zur Folge, unter welchem allen voran die Kinder leiden.

Der Kanton Bern zeigt bislang keine Bereitschaft, Qualitätsforderungen mit angemessener Finanzierung auszugleichen. Dabei ist die finanzielle Belastung für die Eltern bereits jetzt am Maximum – oder sogar darüber. Kurz: Mehr geht nicht. Deshalb stellt kibesuisse abschliessend die Frage: Sind Tagesfamilien im Kanton Bern eine vom Aussterben bedrohte Betreuungsform?

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